Kantine Garde – Bild „Schiner“ von Schiess – Text
Bettolino (Gästekantine) der Päpstlichen Schweizergarde
Schinerbild (auf der Südseite der Gästekantine)
Maler: Robert Schiess, 1938, Cham ZG
Kardinal Schiner zieht mit Schweizer Söldnern über die Alpen
Dieses Bild wurde von Robert Schiess aus dem Buch „Karl Jauslin; Bilder aus der Schweizergeschichte“, Birkhäuser-Verlag, Basel, kopiert. Das Schulbuch wurde zwischen 1885 – 87 geschaffen. Sponsor: Jakob Müller-Landolt, Lotzwil, Zichorienfabrikant. Er verwendete das Buch als Werbegeschenk. Das Buch war in erster Linie für die Jugend bestimmt. Letzte Ausgabe mit Erweiterungen: 1928. Die Texte zu den Bildern stammen von Dr. Rudolf Hotz (1852-1917), Gymnasiallehrer für Geschichte und Geografie, Basel.
Karl Jauslin, 1842 – 1904, Muttenz. Im Gemeindehaus Muttenz findet man einen Karl-Jauslin-Saal und im Dorf ein entsprechendes Museum. Jauslin war mehr Zeichner als Maler.
Robert Schiess kopierte dieses Bild von Jauslin mit einigen Änderungen. Der rechts unten sitzende Söldner, der bei den Vorbeiziehenden die volle Aufmerksamkeit auf sich zieht, er ruft und bewegt den rechten Zeigefinger gegen sich, lässt Schiess weg. Ebenfalls fehlen darüber Mutter und Kind. Der Kopf des Pferdeführers ist aufgeklebt. Er stellt den damaligen Walliser Garde-Cantiniere Giulio Imseng dar, der im Campo Santo begraben ist, gleich hinter alt Kaplan Krieg. Nach übereinstimmenden Aussagen damaliger Gardisten war Imseng Schiess’ bester Freund.
Kardinal Matthäus Schiner und die 3 Söldnerzüge über die Alpen:
Schiner: 1465-1522, Mühlebach VS. 1499 Bischof von Sitten. 1511 Kardinal. Er versuchte immer wieder, die Schweizer Söldner auf die Seite des Papstes zu bringen. Seine mitverantwortlichen Feldzüge in die Poebene:
1.
Frühjahr 1510 (Chiasserzug): 6’000 Mann aus dem Wallis
marschieren über den Griespass nach Bellinzona-Chiasso.
Der Zug verlief ohne Erfolg. 3 eidgenössische Staatsläufer,
ein Berner (konnte entfliehen), ein Schwyzer und ein
Freiburger (erstochen bzw. ertränkt) wurden gefangengenommen.
Diese Tatsache ergab einen Feldzug nach Varese.
Regenwetter, mangelndes Geld und Disziplinlosigkeit zwangen
zur ungeordneten Rückkehr.
2.
Vorsommer 1512 (Pavierzug): 24’000 Mann gelangen im
Eilmarsch über die Lenzerheide, den Albulapass ins Engadin
und über den Ofenpass ins Münstertal und Etschtal nach Verona.
Mit den Truppen des Papstes und Venetiern gelang ein grosser
Sieg bei Pavia (18.06.1512). Reich war die Beute. Der Papst
schenkte der Eidgenossenschaft und den Orten die sogenannten Julius-Banner. Eines davon ist z. B. im Rathaus Stans zu sehen. Der Papst gab den Eidgenossen den Titel „Beschützer der Freiheit der Kirche“.
3.
Herbst 1521: 12’000 Söldner gelangen über die Bündnerpässe
nach Italien, um Mailand zu erobern und die Franzosen
erfolgreich aus der Lombardei hinauszuwerfen.
Das Schinerbild von Karl Jauslin bzw. Robert Schiess stimmt historisch in vielen Teilen nicht. E-Mail von Frau Dr. Erika Hebeisen, Kuratorin Schweizerisches Landesmuseum Zürich, vom 15.09.2015:
Dr. Hotz, Basel, stilisiert im ausgehenden 19. Jahrhundert Schiner zu einem Feldherrn, wie er es nie gewesen ist. Für den Pavierzug 1512 gibt es eine verlässliche Untersuchung und daraus geht klar hervor: Oberbefehlshaber war Ulrich von Hohensax und nicht Matthäus Schiner. Die Truppen machten sich in Ortskontingenten auf den Weg. Eidgenössischer Sammelplatz war Chur. Schiner überbrachte in Verona die päpstlichen Geschenke. In welcher Rolle er anschliessend für den weiteren Feldzug spielte, ist mir nicht bekannt.
Empfehlenswerter Lektüre zur Frage, wie die eidgenössischen Krieger unterwegs waren: Mit Schweizer Söldnern auf dem Marsch nach Italien. Das Erlebnis der Mailänderkriege 1510-1515 nach bernischen Akten, in: Esch, Arnold, "Alltag der Entscheidungen", 1998, S. 249-328. – Zudem sind Darstellungen von Karl Jauslin keineswegs zuverlässige Quellen für die historischen Ereignisse zu Beginn des 16. Jahrhunderts.
Schiner gilt ja bekanntlich im Dienst von Papst Leo X. und den Sforzas als Kriegstreiber für die Schlacht bei Marignano. Die Eidgenossen zogen sowieso nicht geschlossen in die Lombardei. Vielmehr überquerten sie die Alpen im Kontingent ihrer Kantone und richteten sich dann an den südlichen Alpenübergängen in mehreren Lagern ein. Von Schiner ist mir lediglich bekannt, dass er am 13. September 1515 in Mailand war. Im Castello versuchte er die verbliebenen Hauptleute aus der Eidgenossenschaft – Berner, Fribourger, Solothurner und Walliser sind bereits abgezogen – vom Angriff auf die Franzosen zu überzeugen. Falls man es genauer wissen will, müsste sich das nachlesen lassen bei: Emil Usteri, "Marignano. Die Schicksalsjahre 1515/1516 im Blickfeld der historischen Quellen", Zürich, 1974.
Zum Schinerbild in der Gästekantine der Schweizergarde: Da sich die Kantonskontingente normalerweise separat in die Lombardei bewegten, ist die Anzahl der Söldner überladen. Auf Jauslins und Schiess‘ Bild fehlt der rückwärtige Dienst mit den vielen Holzkarren für den Verpflegungsdienst (öfters mit Frauen und Kindern), dem Sanitätsdienst, dem Kleiderdienst oder dem Waffendienst.
Anmerkung zum Schluss: Immer noch taucht fälschlicherweise die Erklärung auf, das Schinerbild stelle die ersten Schweizergardisten (150 Mann insgesamt) dar, die im Winter 1505/1506 nach Rom zogen.
Siehe „Der Exgardist“ Nr. 68, ab Seite 103.